Und dann, nach der Flucht?
Annelie Kretschmann ist zweimal „geflohen worden“, wie sie selbst es ausdrückt: Das erste Mal 1945, als sie zwei Jahren alt war und die Rote Armee auf Schneidemühl, wo sie mit Mutter, Großeltern und Schwester lebte, vorrückte; das zweite Mal im Alter von neun Jahren, als ihre Eltern die DDR in Richtung Bundesrepublik verließen. Vieles aus ihrer eigenen Geschichte und den Erzählungen ihrer Familienmitglieder fällt ihr wieder ein, als sie 2015 beginnt, Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern an ihrem Wohnort in Münster in Deutsch zu unterrichten. „Fliehen, Weggehen, ist nur der Anfang“, fasst sie ihre eigenen Erfahrungen und die der von ihr betreuten Flüchtlinge zusammen. „Mindestens genauso schwierig ist das Ankommen...“
Annelie Kretschmann: Und dann, nach der Flucht? ISBN: 978-3-937772-44-8. TB 356 Seiten, 18,90 Eur
„Wir sahen aus, wie ganz gewöhnliche Reisende. Nur meine Mutter fiel auf. Sie trug einen großen viereckigen Kasten, in eine Decke gehüllt und mit Schnur zugebunden – ziemlich schwer, das sah man. Darin war unser neues modernes Radiogerät aus glänzendem Holz „Etwas besseres können die drüben auch nicht haben.“ Davon wollte sie sich auf keinen Fall trenne! Auch wenn es auffällig auf ein Fluchtvorhaben hindeutete, dass sie immer noch vor mir zu verheimlichen versuchte…“
In diesem Buch verbindet die langjährige Realschullehrerin nun Zweierlei: ihre eigene Geschichte von Flucht und Ankommen, sodann ihre Erfahrungen in der Betreuung von Flüchtlingen, die seit 2015 nach Deutschland gelangten, um ihrem Elend im terrorverseuchten Nahen Osten oder in Afrike zu entfliehen. So vermischen sich in dem Buch die eigenen mit den fremden Erfahrungen, die Eindrücke von alter und neuer Heimat zwischen Pommern, DDR und Münsterland mit den aktuell bedrückenden Erfahrungen der Neuankömmlinge heute.
„Flucht und Ankunft“: Westfälische Nachrichten vom 17.8.2024 über „Und dann, nach der Flucht?“